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Völlig neue Möglichkeiten für Mehrachs-Roboter in der Spritzgießverarbeitung

Jan 13, 2014

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Autor: Scott Kendrick,

Product Project Manager, Sepro 

   

Wer darüber nachdenkt, sich ein neues Auto zu kaufen, der wird vielleicht zwischen einem Allrad- und einem normalen Antrieb vergleichen oder aber darauf achten, wieviel Beinfreiheit die neue Karosse denn bietet. Der Käufer wird also weniger danach fragen, welches der Autos im Vergleich wirklich generell besser dasteht, sondern welches sich auf Eis und Schnee am besten bewegen lässt oder in welchem alle Passagiere sich am wohlsten fühlen. Ganz ähnlich verhält es sich, wenn ein Spritzgießer sich mit unterschiedlichen Robot-Konfigurationen auseinandersetzt. Mit dem großen Angebot auf dem Markt und den vielen speziellen Technologien muss man sich dezidiert beschäftigen, um zu verstehen, wo die wirklichen Vorteile der jeweiligen Konfiguration und Auslegung zu finden sind.

 

ROBOT-SYSTEME FÜR SPRITZGIEßER

Die klassischen Drei-Achs-Linearhandlings eignen sich perfekt für Standardanwendungen in der Spritzgieß-Automation. Demgegenüber sind Sechs-Achs-Knickarm- oder Scara-Roboter für alle industriellen Einsätze geeignet und nicht speziell auf die Arbeitsanforderungen im Spritzgießbereich abgestimmt. Der Begriff der auch als “karthesisch” bezeichneten Linear-Roboter leitet sich vom Namen des französischen Mathematikers René Descartes ab, der die drei Basisachsen X, Y und Z genutzt hat, um einen bestimmten Raum zu definieren. Dementsprechend haben diese Handlinggeräte auch alle eine vertikale Z-Achse, die es erlaubt, zwischen die Werkzeughälften einer Spritzgießmaschine einzugreifen. Ergänzt wird diese Achse durch die horizontale X-Achse, die von einem Bereich über der Schließeinheit bis zu einem definierten Punkt außerhalb der Spritzgießmaschine reicht, sowie der Y-Achse, die den vertikalen Arm über die Maschinenlängsachse bewegt, um Spritzteile aus den Kavitäten entnehmen und sie außerhalb des Werkzeugs ablegen zu können. Wer einen Robot lediglich zur Teileentnahme in einem schnellen und reproduzierbaren Zyklus benötigt, für den wird ein lineares Drei-Achs-Handling die erste Wahl sein. Wenn mehr und spezielle Bewegungen gefragt sind, so z. B. zusätzliche Robot-Operationen im Werkzeug oder auch außerhalb der Maschine, wird ein Spritzgießer über die Alternative eines Drei-, Fünf- oder Sechs-Achs-Roboters nachdenken. Die Sechs-Achs-Roboter befinden sich am anderen Ende des Handling-Spektrums. Der Knickarm ähnelt in vielerlei Hinsicht dem menschlichen Arm. So kann der Sechs-Achs-Roboter seinen Arm um seine Basis rotieren lassen, wie der menschliche Ellenbogen abknicken und hat ebenfalls ein Gelenk an seinem Knickarm, das rotieren sowie Auf- und Abwärtsbewegungen ausführen kann. Ein Knickarm-Robot ist also in der Lage, ein Teil in fast jedem beliebigen Winkel und damit an fast jedem beliebigen Punkt innerhalb seiner Reichweite aufzunehmen und zu transportieren. Ähnliche Bewegungen kann auch ein Drei-Achs-Handling mit einer zusätzlichen pneumatischen Drehhandachse am Greifer ausführen. Diese Bewegungen werden etwa bei Sepro als R1- und R2-Rotation bezeichnet. Damit lassen sich Drehhandachse und Greifer von 0° bis 90° oder von 0° bis 180° ohne Zwischenstopp bewegen. Abhängig von der nachgeordneten Automation einer Produktionszelle – etwa Teilezuführung, Vermessung, Entgraten, Verschweißen oder Dekoration – kann das Arbeiten mit solchen zusätzlichen Pneumatikrotationen an Drei-Achs-Handlings sogar komplexere Handhabungsaufgaben umsetzbar werden lassen.

 

SERVOELEKTRISCHE FÜNF-ACHS-ROBOTER

5x-35-LD_NEW_recadré-300x174Im Oktober 2012 hat Sepro seine 5X-Line vorgestellt. Dabei handelt es sich um servoelektrisch angetriebene Fünf-Achs-Robot-Systeme. 5X-Handlings können Bewegungen in einem ähnlichen Umfang wie Sechs-Achs-Knickarm-Roboter ausführen, sind aber von Konfiguration und Aufbau her ähnlich den linearen Drei-Achs-Handlings und damit für solche Nutzer geeignet, die diese Technik gewohnt sind. X-, Y- und Z-Achsen sind bei diesen Geräten identisch der bei den 3-Achs-Ausführungen. Der Unterschied liegt in der Servo-Drehhandachse am Ende der vertikalen Bewegungsachse. Die bereits beschriebenen R1- und R2-Bewegungen sind hiermit uneingeschränkt möglich, allerdings erlaubt es der servomotorische Antrieb, jede mögliche Position innerhalb von 0 bis 90° bzw. 0 bis 180° exakt anzufahren. Alle Bewegungen lassen sich simultan ausführen, so dass auch das kontrollierte Fahren über alle fünf Achsen gleichzeitig möglich wird. Realisierbar wird das durch die elektrisch geregelten Servomotoren. Pneumatisch betriebene Achsen werden über Ventile gesteuert und bewegen durch den Druckluftfluss etwa eine Drehhandachse am Greiferarm. Erst der Anschlag am Endpunkt der Drehbewegung schließt das Ventil wieder und stoppt das Fahren. Hingegen registriert ein elektrischer Servomotor über einen Positionsgeber exakt, an welchem Punkt sich die Antriebswelle gerade befindet. Die Handlingsteuerung ist damit in der Lage, die genauen Positionen über alle fünf Achsen zu ermitteln und aufeinander abzustimmen. So ist die Lage von Greifer und Teil innerhalb des definierten Bewegungsraums der Handlings immer exakt bekannt. Damit kann das Robot-System auch hochkomplexe Bewegungsabläufe immer wieder sehr präzise und reproduzierbar ausführen. Fünf-Achsen-Operationen werden immer dann notwendig, wenn etwa die zu entformenden Artikel nicht geradlinig aus dem Werkzeug entnommen werden können oder wenn der Platz zwischen Werkzeughälften bzw. Maschinenholmen zu gering ist. Dann wird es notwendig, die Spritzteile zunächst zu drehen, um sie dann aus der Schließeinheit zu entnehmen. Die Servo-Drehhandachse kann diese Mehrachsen-Drehbewegungen ähnlich wie die menschliche Hand ausführen, allerdings mit weitaus mehr Präzision und Schnelligkeit. Ist das Spritzteil aus dem Werkzeug entnommen, müssen unter Umständen noch nachgeordnete Arbeitsgänge wie etwa das Auftragen von Kleber, Montageschritte oder das Entgraten durchgeführt werden. Ohne das Teil neu fassen zu müssen, kann der Fünf-Achs-Robot den Artikel exakt an den verschiedenen Positionen vorbeiführen oder zum Zusammenbau ablegen. Das ist sehr viel effizienter als die manuelle Bearbeitung oder das Positionieren der Teile in einer Haltevorrichtung, um die Bearbeitung durch weitere Peripherie zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die aktuellen Fünf-Achs-Linear-Roboter ihre Vorteile wie etwa hohe Eingriffsgeschwindigkeiten für kürzere Zyklen oder hohe Flexibilität innerhalb wie außerhalb der Werkzeuge voll ausspielen können und damit durchaus an die Möglichkeiten eines Knickarm-Roboters herankommen. Fünf-Achs-Linearhandlings sind also heute in der Lage, sehr viele der Bewegungsabläufe, die ursprünglich für den Einsatz von Knickarm-Robotern vorgesehen waren, ohne Abstriche zu übernehmen.

SECHS-ACHS-KNICKARM-ROBOTER

sepro_6xvisual_6x200l-300x225Bedenken gegen den Einsatz von Sechs-Achs-Robot-Systemen im Spritzgießsektor gibt es vor allem aufgrund der komplexen Programmiervorgänge und ihrer anspruchsvollen Steuerungen. Bereits das geradlinige Fahren erfordert hier die Koordination mehrerer unterschiedlicher Bewegungsabläufe. Vielfach ist es auch aktuell in vielen Spritzgießbetrieben noch so, dass extra geschultes Personal zur Programmierung und Wartung dieser Robot-Systeme im Einsatz ist. Sepro hat vor rund einem Jahr neben der 5X-Line auch die 6X-Line eingeführt: Knickarm-Roboter, die die gleiche Steuerung nutzen, wie sie auch an den Linear-Handlings zum Einsatz kommen. Durch die einfache „pick and place“-Programmierung muss der Einrichter lediglich die verschiedenen Punkte und Positionen des Robot-Zyklus (Entnahme, Qualitätskontrolle, Ablage oder Stapeln) festlegen, diese Positionen manuell anfahren und bestätigen (teachen). Die Verfahrwege zwischen diesen Punkten lassen sich entweder direkt oder über Kurven anfahren. Die Festlegung dieser Bahnen erfolgt nach Eingabe automatisch. Damit lassen sich moderne Sechs-Achs-Roboter viel einfacher programmieren und bedienen als noch vor Kurzem. Deshalb suchen sich die Entscheider heute ihren Robot nicht mehr nach der Art seines Aufbaus aus, sondern erstmals danach, welche Bewegungs- und Bedienphilosophie am besten zu ihren Auftragsanforderungen passt.

 

LINEAR- ODER KNICKARM-ROBOTER: DIE VOR- UND NACHTEILE

Der große Unterschied zwischen Fünf- und Sechs-Achs-Robotern besteht in dem Erreichen einer 360°-Bewegung. Linear-Roboter sind dabei auf eine gerade Bewegungsrichtung beschränkt und kombinieren Verfahrwege längs und quer zur Maschinenachse. Längere Achsen können mehr seitliche Bewegung bedeuten, aber auch mehr Längsbewegung über die Maschinenachse. Damit können Teile am Ende der Spritzgießmaschine abgelegt werden, was eine geringere Aufstellfläche für die Gesamtkonfiguration und damit eine optimierte Maschinenbelegung pro Halle mit sich bringt. Linear-Roboter werden normalerweise oben an der festen Aufspannplatte der Maschinen montiert. Sie können also die Einspritzseite der Maschinen nicht erreichen. Dagegen hat ein Sechs-Achs-Roboter einen größeren Arbeitsbereich, da er zu allen Seiten hin über die gleiche Reichweite verfügt. Da auch die Montage über der Maschine nicht notwendig ist, sind Sechs-Achs-Roboter in vielen Fällen die einzige Automationsalternative für Produktionshallen mit geringer Höhe. Knickarm-Roboter greifen meist seitlich in die Schließeinheit ein, weshalb sie auch besser zur Arbeit an sepro_5x-35_rotationcotevertikalen Maschinen, etwa bei der Herstellung von Einlegeteilen, geeignet sind. Ihre Bewegungen werden durch die vertikal zufahrende Schließeinheit nicht limitiert und sie können auch mehrere Stationen an Drehtisch-Maschinen einfach und schnell erreichen. Vorteile können unter bestimmten Umständen aber auch problematisch werden. Eine bodengebundene Montage funktioniert zwar bei niedriger Hallenhöhe, wird aber zum Problem, wenn die Platzverhältnisse rund um die Maschinen sehr eng sind. Der seitliche Eingriff von Sechs-Achs-Robots macht die Aufstellung der Geräte normalerweise auf der Maschinenrückseite notwendig, wo sie den Zugang von Einrichtern und Bedienern zum Terminal der Maschinensteuerung nicht einschränken. Demgegenüber lässt sich mit einem Linear-Roboter der Zugang zu jeder Seite der Maschinen einfacher bewerkstelligen. Obwohl die Geschwindigkeit der Knickarm-Roboter in den letzten Jahren zugenommen hat, gelten Linear-Roboter grundsätzlich immer noch als schneller, wenn es um die Ein- und Ausfahrbewegungen im Werkzeug bei der Teileentnahme geht. Dies kann ein kritischer Entscheidungsfaktor gerade bei schnelllaufenden Anwendungen sein. Die Anschaffung von linearen oder Knickarm-Robotern ist nicht zuletzt aber auch eine Frage des Geldes. Generell gilt hier, dass ein Linear-Robot, auch mit einer zusätzlichen Drehhandachse, um rund 30% kostengünstiger bleibt als ein Sechs-Achs-Roboter. Keiner der oben aufgeführten Faktoren sollte als Grund für eine bessere oder schlechtere Bewertung von Linear- oder Knickarm-Systemen dienen. Der Einsatz beider Alternativen hängt einzig Pendant_Visual3_détouréund allein von den Vorgaben und Anforderungen der Produktion in den unterschiedlichen Spritzgießbetrieben ab. Beide Arten von Robot-Systemen werden oftmals sogar gemeinsam eingesetzt: So ist es möglich, dass ein Linear-Roboter die Teile aus der Maschine entnimmt und zur weiteren nachgeordneten Bearbeitung an einen Sechs-Achs-Robot übergibt. Dies ist beispielsweise ein idealer Aufbau bei relativ kurzen Spritzzyklen und mehreren nachfolgenden Bearbeitungsstationen, die die Herstellung entsprechend zeitaufwändig und/oder komplex werden lassen. Aufgrund der unterschiedlichen Technologien im Produktprogramm von Sepro, seinen Partnern und Lieferanten, haben Spritzgießer heute mehr denn je die freie Auswahl im Hinblick auf die Automatisierung ihrer Fertigungsprozesse. Das bringt natürlich auch mehr “Qual der Wahl” beim Auswahlprozess und der Entscheidung für das richtige System mit sich: Was soll mein Roboter können, welche Funktionen und Möglichkeiten muss er haben? Um hier wieder zurück zum Vergleich beim Kauf eines PKW zu kommen: Auch hier muss ein zuverlässiger und mit entsprechendem Know-how ausgestatteter Hersteller den Unternehmen dabei helfen, das richtige Robot-System für den täglich geforderten Einsatzzweck auszuwählen.    

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